Rede zum schwarz-grünen Antrag "Den Aktionsplan für Vielfalt und gegen Homo- und Transfeindlichkeit auf erweiterter Datenbasis weiterentwickeln" beim Plenum am 26.10.2023
Sehr geehrte Frau Präsidentin / Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen,
es ist zwar schon Herbst, aber: Wir hatten einen schönen Sommer!
Einen richtig schönen Sommer!
Er war in diesem Jahr noch bunter und lauter als sonst, denn dank der Landesförderung kleinerer CSDs konnten noch mehr Pride-Demonstrationen stattfinden, noch besser ausgestattet als bisher.
Wir als queere Community waren auch in den kleineren Städten und Gemeinden sichtbar und haben gemeinsam mit Freund*innen und Familie Flagge gezeigt.
Und ich habe schon mitbekommen, dass sich neue Initiativen gegründet haben, die nächstes Jahr den ersten CSD in ihrer Kleinstadt feiern wollen.
Und so schön das war – die ausgelassene Stimmung, die bunten Farben, die sichtbare Vielfalt der queeren Community in NRW – so war es an vielen Stellen auch ein aktives Ankämpfen gegen die eigene Angst.
Denn auch ein Jahr später, nachdem der gewaltsame Tod von Malte C. nach der CSD-Demonstration in Münster die queere Community enorm erschüttert hat, zeigt sich: dieser Vorfall hat seine Spuren hinterlassen.
Und auch wenn die diesjährige Pride-Saison ohne so gravierende Angriffe verlaufen ist, müssen wir feststellen, dass Gewalt gegen queere Menschen immer weiter zunimmt.
LSBTIQ*-Menschen schauen sich um und machen sich Gedanken, ob sie auf offener Straße Händchen halten oder sich küssen können.
Wir überlegen, ob wir aus der Gay Bar oder nach dem CSD wieder sicher nach Hause kommen, weil die Stimmung um solche eigentlich sicheren Orte herum immer feindseliger wird.
Beim CSD in Gelsenkirchen beispielsweise haben wir zusätzlich zur Polizei, die vor Ort war, einen Sicherheitsdienst engagiert.
Wie sicher können sich queere Menschen im öffentlichen Raum bewegen?
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Unsere Gesellschaft altert, das ist hier im Plenum immer wieder Thema, denn es stellt uns vor vielfältige Herausforderungen.
Was wir dabei stärker mitberücksichtigen müssen ist: der queere Teil der Gesellschaft altert mit.
Und damit er das in Würde tun kann, wird eine sensible Pflege immer nötiger, die die Besonderheiten dieser Senior*innen aufgreift und sich darauf einstellt.
Denn es braucht ein ganz besonderes Fingerspitzengefühl und Hintergrundwissen, wenn queere Menschen mit Demenz zum Beispiel frühere Lebensphasen erneut durchleben, in denen sie noch nicht geoutet waren oder noch nicht mit ihrer Transition begonnen hatten.
Im Pflegebereich haben sich schon vereinzelt Einrichtungen und Kommunen auf den Weg gemacht, und auch die Landesfachberatung berät die offene Senior*innenarbeit über die Bedarfe von älteren Lesben, Schwulen und trans* Personen.
Dafür danke ich ihnen sehr, das gibt mir Hoffnung!
Aber es gibt sicher noch Baustellen in dem Bereich der Pflege queerer Menschen, die uns noch nicht bekannt sind.
Hier brauchen wir Hinweise und Erfahrungsberichte, um als Koalition zielgerichtet eine Verbesserung bewirken zu können.
Genau so im Bereich der Gesundheit.
Sei es beim Kinderwunsch gleichgeschlechtlicher Paare oder bei der gesundheitlichen Versorgung von trans* und intergeschlechtlichen Menschen.
Während LSBTIQ*-Menschen in NRW genau überlegen, in welchen Situationen sie im öffentlichen Raum offen ihre Zuneigung zueinander zeigen können, gibt es Länder, in denen sie bis in den privaten Raum hinein verfolgt werden.
Wir müssen auf dem Schirm haben, dass Menschen zu uns fliehen, weil Homosexualität und trans* Identität in ihren Herkunftsländern kriminalisiert und unter Strafe, teilweise unter Todesstrafe, gestellt sind.
Wir müssen schauen, wie wir diese Geflüchteten, auch bei der Integration, besser begleiten können.
Doch trotz all dem sind wir schon weit gekommen und haben Einiges für die Gleichstellung queerer Menschen erreicht, Vieles auf den Weg gebracht.
Und es ist heute besser, als es damals war.
Aber der Kampf gegen Stigmatisierung und Vorurteile geht weiter.
Wir in NRW sind stolz auf unsere Pluralität.
Deshalb stehen wir weiterhin fest an der Seite aller queeren Menschen, denn gerade in der heutigen Zeit braucht die Community unsere Unterstützung und unsere Solidarität!
Und deswegen ist der heute vorliegende Antrag so wichtig.
Die im Antrag geforderte Studie soll die Intersektionen der zahlreichen Lebensbereiche queerer Menschen beleuchten, in denen sie Diskriminierung erfahren.
Und wir hoffen sehr, dass wenn es soweit ist, vor allem viele queere Menschen, aber auch ihr nicht-queeres Umfeld an der Befragung teilnehmen werden.
Denn wir können nur dann ganz gezielt Maßnahmen entwickeln und umsetzen, wenn wir eine Datenlage darüber haben, wie sich die Situation für queere Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen in NRW darstellt.
Ich würde mich sehr über eine breite Zustimmung zu unserem Antrag freuen.
Vielen Dank.