Rede zum SPD-Antrag zum Thema "Finanzierung der Frauenhilfeinfrastruktur sichern" beim Plenum am 12. Juni 2024:
Sehr geehrte Frau Präsidentin / sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen,
letzte Woche haben Bundesinnenministerin Faeser und Bundesfamilienministerin Paus das Lagebild häusliche Gewalt vorgestellt. Und so bekannt die Zahlen sind, erschüttern sie uns doch jedes Mal. Über 70% der Opfer häuslicher Gewalt sind Frauen, drei von vier Täter*innen sind Männer.
Bei Partnerschaftsgewalt sieht es noch einmal verheerender aus. 2023 hatten wir mindestens 155 Femizide zu verzeichnen. 155 Frauen, die von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet wurden. Hinter jedem dieser Fälle steht ein Einzelschicksal.
Häusliche Gewalt zieht sich durch jedes Alter, durch jede soziale Klasse, durch jede Herkunft und jede Religion. Sie hat viele Gesichter und Formen und ist tief verwurzelt in gesellschaftlichen Normen, die Machtverhältnisse und traditionelle Geschlechterrollen stärken.
Ich bin mir sicher, dass alle von uns mindestens eine Person kennen, die betroffen ist, ob es uns bewusst ist oder nicht. Gewalt gegen Frauen ist tief in unserer Gesellschaft verankert und ein strukturelles Problem, das wir gemeinsam angehen müssen und in unterschiedlichen Konstellationen in Bund und Ländern auch angehen.
Mir persönlich geht das zu langsam, das ist kein Geheimnis, aber ich erkenne an, dass die Frauenhilfeinfrastruktur heute besser aufgestellt ist, als sie es bspw. vor 20 Jahren noch war.
In NRW haben wir eine breit aufgestellte und unfassbar engagierte Frauenhilfeinfrastruktur, Frauenhäuser, Beratungsstellen und Notrufnummern, die von Gewalt betroffenen Frauen Schutz und Unterstützung bieten. Wir wissen, dass diese Strukturen oft überlastet – dafür müssen wir nur einmal in die Anforderungen der Istanbul-Konvention schauen – und nicht zu unserer Befriedigung finanziert sind. Besonders die spezialisierte Unterstützung für besonders vulnerable Personen wie geflüchtete Frauen, Migrantinnen und Frauen mit Behinderungen ist weiter auszubauen. Wir nehmen diese Sorgen aus der Frauenhilfeinfrastruktur sehr ernst und es ist unser Ziel, diese Lücken zu schließen und sicherzustellen, dass jede Frau in Not die Hilfe bekommt, die sie braucht.
Gleichzeitig wissen wir alle miteinander um die aktuelle Haushaltslage und das Loch, das durch die Steuermindereinnahmen und geplante Bundesvorhaben entstanden ist. Dieser Landesregierung ist es trotzdem gelungen, mit diesen wenigen Mitteln Verbesserungen und einen kleinen Ausbau der verfügbaren Schutzplätze für Frauen und ihre Kinder in den letzten zwei Jahren zu schaffen.
Eine effektive Bekämpfung häuslicher Gewalt erfordert die Zusammenarbeit verschiedener Akteur*innen, dazu gehören neben der Frauenhilfeinfrastruktur auch Justiz, Polizei und das Gesundheitswesen. Netzwerke und Kooperationen auf kommunaler, landesweiter und nationaler Ebene sind unverzichtbar.
Auf Bundesebene wird aktuell das Gewalthilfegesetz erarbeitet. Es hat zum Ziel, Frauen unabhängig von Faktoren wie z.B. ihrem finanziellen Background, Aufenthaltsstatus oder ihrer Herkunft den Zugang zu Unterstützungsangeboten zu ermöglichen. Diesen Schritt begrüßen wir sehr und dieses Gesetz ist bitter nötig.
Was ich eigentlich sehr an den demokratischen Fraktionen schätze, ist, dass der Kampf gegen häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen uns eint. Der Weg dahin mag unterschiedlich sein, aber das Ziel ist doch immer dasselbe. Daher bitte ich an dieser Stelle darum, dass wir weiterhin fair miteinander umgehen. Und zu diesem fairen Umgang gehört meiner Auffassung nach eben auch, nicht einen Antrag mit teils deckungsgleichen Beschlusspunkten zu einem Themenkomplex einzubringen, der noch mitten im Verfahren ist. Aktuell sind wir im Prozess, uns mit dem Antrag der SPD und dem Entschließungsantrag der schwarz-grünen Koalition aus Februar diesen Jahres genau zu diesen Themen zu beschäftigen. Die Anhörung dazu steht noch an, die Sachverständigen sind bereits geladen. Lassen Sie uns die Expert*innen dazu anhören und deren wichtige Impulse – sofern möglich – ernsthaft einbeziehen, bspw. in der Fortschreibung des Aktionsplans zur Umsetzung der Istanbul-Konvention.
Lassen Sie uns dieses Überlebenswichtige Thema weiter angehen und um die besten Lösungen streiten, nicht für die eigene (parteipolitische) Profilierung, sondern für die vielen Betroffenen.
Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass häusliche Gewalt keinen Platz mehr in unserer Gesellschaft hat.
Den Antrag heute lehnen wir ab.
Vielen Dank.