Rede zum SPD-Antrag "Mehr Respekt für Frauen auf dem
Arbeitsmarkt" beim Plenum am 18. Dezember 2024
Sehr geehrte Frau Präsidentin / sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen,
was bei den Debatten über den Fachkräftemangel oft zu kurz kommt oder
sogar vergessen wird, ist unser größtes Fachkräftepotenzial, das noch zu
heben ist: das sind die Frauen – und dass dieses Potenzial nicht
ausgeschöpft wird, hat viele unterschiedliche Gründe:
Berufe, die vorrangig von Frauen ausgeübt werden, bekommen oft
weniger Anerkennung und werden schlechter bezahlt.
Es mangelt in allen Branchen zudem an flexiblen Arbeitszeitmodellen.
Und die Betreuungssituation für erwerbstätige Eltern und ihre Kinder ist
noch nicht da, wo sie sein müsste.
Was mich an dieser Debatte aber ganz grundsätzlich ärgert, ist, dass die
Frage um die Erwerbsfähigkeit von Frauen zu einem reinen Frauenproblem gemacht wird.
Wieso gibt es überhaupt Berufe, die mehrheitlich von Frauen oder
Männern ausgeübt werden?
Wieso werden die einen besser und die anderen schlechter bezahlt?
Wieso gibt es eher selten wirklich flexible Arbeitsmodelle?
Wieso ist die Frage nach der Betreuung von Kindern ausschlaggebend für
die Frage, ob eine Mutter arbeiten gehen kann?Wieso sprechen wir so selten darüber, ob der Vater – ob beide Eltern – gut arbeiten gehen können?
Kurz gesagt: Weil wir in patriarchalen Strukturen leben, die veraltete
Geschlechterrollen immer noch zementieren.
Und diese Rollen sind nicht einfach vom Himmel gefallen – Studien zeigen
bspw., dass in Lohn- und Carearbeit sehr gleichberechtigte Paare nach
der Geburt ihres ersten Kindes oft in das Rollenmodell der 50er Jahre
rutschen, auch weil unser System die Alleinverdienerehe noch immer
subventioniert und finanziell belohnt.
Diese Strukturen wurden so geschaffen und existieren in
unterschiedlichsten Abwandlungen seit hunderten von Jahren.
Und wenn wir merken, dass Strukturen ein Geschlecht immer und immer
wieder benachteiligen, dann ist es an der Zeit, Veränderungen
anzustoßen.
Denn natürlich ist die Stärkung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt ein
wichtiges Anliegen für uns, und es ist auch kein neues Thema – deswegen
arbeiten wir bereits sehr aktiv an verschiedenen Maßnahmen:
- Die Kompetenzzentren Frau und Beruf, die einen wichtigen Beitrag
leisten und kleine und mittlere Unternehmen dabei unterstützen Frauen
als Fachkräfte zu gewinnen und zu halten.- Der digitale Lohnatlas, der Lohntransparenz schafft. Damit gehen wir einen wichtigen Schritt und schaffen eine Datenbasis, um das Thema Equal-Pay gemeinsam mit Gewerkschaften und Arbeitgeber*innen
anzugehen. - Mit dem Women on Board Index schauen wir genau da hin, wo es ungemütlich wird – dahin, wo NRW noch besser werden muss: In die
Besetzung der Aufsichtsräte und Verteilung der Geschlechter in
Führungspositionen der Unternehmen. - Das Landesgleichstellungsgesetz werden wir weiterentwickeln.
- In Trägerschaft des Vereins alleinerziehender Mütter und Väter haben
wir die Landesfachstelle Alleinerziehende an den Start gebracht. - Im HH 2025 stehen 115 Millionen € an Investitionsmitteln für den Kita-
Ausbau bereit. - Wir haben die Kita-Helfer*innen verstetigt.
- Und mit den Beratungsstellen Arbeit haben wir eine flächendeckende Struktur geschaffen, um Anlaufstellen zu bieten, die prekäre Arbeitsbedingungen einzudämmen helfen.
Das ist nur ein kurzer Abriss über einige der Maßnahmen, die die schwarz-
grüne Landesregierung bereits angestoßen oder neu aufgelegt hat und trotz der Haushaltslage weiterfinanziert.
Weil es richtig und wichtig ist, dass sich Politik um die Belange von
erwerbstätigen Frauen kümmert und dass wir uns für gute Rahmenbedingungen einsetzen, damit die Frauen, die gerne arbeiten möchten, das auch tun können.
Am Ende muss sich aber neben den von mir bereits beschriebenen
Maßnahmen in den Köpfen vieler Einzelner und damit gesamtgesellschaftlich etwas ändern. Dazu leisten wir unseren Beitrag.
Daher bin ich unsicher über den Mehrwert dieses Antrags, der mit 55
Beschlusspunkten einfach überfrachtet wirkt und zudem Maßnahmen
fordert, die bereits laufen.
Kritisieren möchte ich auch, dass der Antrag viele Beschlusspunkte aus
dem Bereich Familie, Kinder und Jugend enthält, aber nicht in den entsprechenden Ausschuss mitverwiesen wird. Ich bin aber gespannt und freue mich auf die Debatte im Ausschuss.
Der Überweisung stimmen wir natürlich zu – vielen Dank.