Rede zum schwarz-grünem Antrag beim Plenum am 8. März 2023
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen!
Gestern war Equal Pay Day, heute begehen wir den feministischen Kampftag. Das sind zwei Tage, die leider noch immer nötig sind, um auf besondere Schieflagen in unserer Gesellschaft aufmerksam zu machen.
In den vergangenen Tagen sind wie in, so nehme ich an, jedem Jahr nach und nach die Pressemitteilungen und Artikel unterschiedlicher Verbände und Medien in unseren Postfächern eingetrudelt. In allen steht das Gleiche: Frauen verdienen in NRW und ganz Deutschland deutlich weniger als Männer. Der durchschnittliche Bruttostundenverdienst von Frauen liegt in unserem Bundesland 17 % niedriger als der von Männern.
Für viele liegt die Lösung auf der Hand: Frauen sollen einfach in Vollzeit arbeiten. Aber selbst der bereinigte Gender-Pay-Gap, also der Lohnunterschied bei gleicher Qualifizierung, der bleibt, wenn man den Faktor, dass Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten, herausrechnet, liegt noch immer bei 6 %.
Frauen bewältigen in unserer Gesellschaft den absoluten Großteil der sogenannten Sorge- oder Care-Arbeit und leisten damit einen signifikanten unbezahlten Beitrag für unsere Gesellschaft. Studien zeigen, dass selbst in sehr gleichberechtigten heterosexuellen Beziehungen das Paar in traditionelle Muster rutscht, sobald das erste Kind geboren wird. Die steuerlichen Vergünstigungen durch das Ehegattensplitting, die Kita-Öffnungszeiten und die Karrierechancen des Partners machen es Paaren sehr schwer, eine gleichberechtigte Beziehung weiterzuführen.
Frauen übernehmen den sogenannten Mental Load in der Beziehung und behalten den Überblick über familiäre Verpflichtungen, Geburtstage der Verwandtschaft sowie Freund*innen der eigenen Kinder und andere Aufgaben, die im Familienalltag gemanagt werden müssen. Frauen arbeiten im Vergleich zu ihrem Partner mehr Stunden pro Tag im Haushalt, selbst wenn sie und ihr Partner in Vollzeit arbeiten.
Mütter nehmen noch immer den überwiegenden Teil der Elternzeit wahr, Väter selten mehr als 3 Monate. Frauen betreuen häufiger ihre Kinder als die Väter, Frauen pflegen häufiger kranke und alte Angehörige, sie reduzieren öfter die Arbeitszeit – auch ungewollt –, und Frauen leiden durch die dadurch verringerten Rentenansprüche deutlich häufiger unter Altersarmut.
Wir leben in einer Gesellschaft, die noch nicht gleichberechtigt ist. Das ist gut belegt. Frauen haben im Erwerbsleben weiterhin große Hürden zu überwinden. Allein weil sie schwanger werden und ein Kind bekommen und damit für eine gewisse Zeit ausfallen könnten, kommen sie für viele Arbeitgeber*innen weniger infrage.
Wenn eine Frau noch weitere Diskriminierungsmerkmale aufweist – beispielsweise aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe, sexuellen Identität oder einer Behinderung –, werden diese Hürden noch größer. Zu oft sind sie vom Erwerbsleben ausgeschlossen oder erfahren mehrfache Diskriminierungen, die ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt erschweren. Das kann zu Stress führen, der nicht nur Ressourcen bindet, sondern langfristig auch arm und krank machen kann.
Lesbische Frauen, deren Bewerbung Hinweise auf ihre sexuelle Identität enthält, weil sie ihre Verpartnerung im Lebenslauf angeben, erhalten signifikant weniger positive Rückmeldungen zu ihren Bewerbungsschreiben und werden seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen.
Trans* Frauen, die ihre Identität nicht offen am Arbeitsplatz zeigen können, müssen sich täglich mit falschem Namen ansprechen lassen oder können nicht die Kleidung tragen, die ihrer Geschlechtsidentität entspricht. Auch das kann zu permanentem Stress führen und der Angst, aufzufliegen und dann mit den befürchteten Konsequenzen leben zu müssen.
Barrierefreiheit ist ein wichtiger Aspekt, um Frauen mit Behinderung den Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Unwissen und Unsicherheiten seitens der Arbeitgeber*innen gilt es abzubauen.
Das alles sind Problemlagen, die uns bekannt sind. Sie sind strukturell in unserer Gesellschaft verankert. Als Koalition aus CDU und Grünen nehmen wir uns der Aufgabe an, genau hier anzusetzen und für mehr Gleichberechtigung zu sorgen.
Mit einer Reihe an Maßnahmen wollen wir diese gesellschaftliche Schieflage angehen, und als Landtag wollen wir Vorbild für andere Arbeitgeber*innen sein. Wir wollen das Landesgleichstellungsgesetz weiterentwickeln, um künftig unsere eigenen Vorstände und Gremien paritätisch zu besetzen, und besonders unseren Führungskräften Fortbildungen anbieten, um ein größeres Bewusstsein für Intersektionalität zu schaffen. Und wir wollen, dass einem kommenden Landesantidiskriminierungsgesetz und der damit einhergehenden Antidiskriminierungsstelle eine intersektionale Perspektive zugrunde gelegt wird.
Besonders in Zeiten des Fachkräftemangels können wir es uns einfach nicht leisten, auf gut ausgebildete Frauen und ihr Potenzial zu verzichten – unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihrer sexuellen Identität oder Behinderung. Für uns ist nämlich die Gleichstellung von allen Frauen in jeglichen Bereichen nichts geringeres als eine Voraussetzung für eine moderne und demokratische Gesellschaft.
Wir leben noch immer im Patriarchat und mit den damit verbundenen Hürden, gegen die Frauen täglich ankämpfen müssen. Dies gilt es zu überwinden, und das schaffen wir nur gemeinsam Schritt für Schritt.
Vielen Dank.